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Abschliessende Einschätzung der COP8 in Delhi

Sicht des Schweizer Wissenschaftsvertreter in der Delegation

Wetter und Klima (Symbolbild)
Bild: NASA

Wieder um eine COP dem Ziel ein ganz klein bisschen näher gekommen. Jeglicher Fortschritt muss zäh erkämpft werden, so auch in den letzten zwei Wochen. Es wurde hart um mögliche Lösungen gerungen. Es ging nicht nur um Details; vielmehr wurden die Verhandlungen grösstenteils durch die grosse politische Frage und Herausforderung «Wie weiter nach 2012?» dominiert. Hierbei sind sich in neuen Konstellationen oft die industrialisierten Länder und die Entwicklungsländer, unterstützt höchstens noch von den USA, einander gegenüber gestanden. Sollen nach 2012 gewisse Entwicklungsländer in den Prozess voll eingebunden werden und ebenfalls Reduktionsverpflichtungen übernehmen müssen? Soll über den Weg hin zu einer möglichen Stabilisierung der Treibhausgase offen gesprochen werden? Welches Ausmass der Klimaänderung sind wir noch bereit zu tolerieren, welches geht zu weit und sollte deshalb vermieden werden? Diese Fragen standen zwar nicht immer im Vordergrund, aber haben bei ganz vielen Detailverhandlungen in entscheidender Art im Hintergrund mitgespielt.


Auch die Schnittstelle zwischen Politik und Wissenschaft hat eine besondere Rolle gespielt. Ein spezieller Anlass, zu dem IPCC eingeladen hatte, hat die Diskussionen hierzu besonders angeheizt: Vertreter des WCRP , IGBP und IHDP haben neueste Resultate vorgestellt und versucht, die Ergebnisse insbesondere aus dem IPCC Third Assessment Report zu erläutern. Die anwesenden Wissenschaftsvertreter haben danach auch versucht, Fragen der Delegierten zu beantworten. Dieses Vorgehen ist neu im Rahmen der Klimaverhandlungen. Bislang haben jeweils die direkt beteiligten, hauptverantwortlichen Autoren der IPCC Berichte die Resultate in zusammengefasster Form dargestellt und wurde anschliessend entschieden, einen direkten Dialog mit diversen, wissenschaftlichen Gruppierungen und den politischen Gremien der Klimakonvention aufzubauen. Die neue Entwicklung erachte ich diese Entwicklung als gefährlich. Es die besteht Gefahr, dass nur noch einzelne Stimmen der Wissenschaft in einen Dialog mit Politikern treten. Politiker könnten dann kontrovers diskutierte Themen missbrauchen und versuchen, Wissenschaftler gegeneinander auszuspielen. Die Arbeitsweise des IPCC - die Wissenschaftler sehen sich gezwungen, eine Synthese zuerst innerhalb der Wissenschaft zustande zu bringen, bevor sie den Weg in die Politik findet - erachte ich als den besseren Weg, um der Politik möglichst unabhängige Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung zu stellen. Es ist zu hoffen, dass IPCC durch diese neue Entwicklung nicht geschwächt wird und seine bislang einzigartige Rolle als politisch unabhängige Institution und Sprachrohr der gesamten Wissenschaft weiter erfüllen wird.


Es wurden auch Forschungsprioritäten diskutiert. Wiederum zeigten sich unheilvolle Allianzen zwischen gewissen Entwicklungsländern und den USA. Dabei entsteht der Eindruck, dass es gewissen Ländern höchst unangenehm wäre, wenn klare wissenschaftliche Ergebnisse aus der Klimaforschung vorliegen würden. Ein besonderer Zankapfel war die Frage, welche Bedeutung den Klimaszenarien zur Stabilisierung der atmosphärischen Treibhausgase auf verschiedenen Niveaus zukommt. Nach zähen Verhandlungen konnte man sich darauf einigen, dass sich die Wissenschaft in folgenden Bereichen besondere Gedanken machen sollte, wie die Forschung voranzutreiben wäre: Beziehungen zwischen Klimaänderung, nachhaltige Entwicklung und soziale Gerechtigkeit, Stabilisierungsszenarien sowie Unsicherheiten. Dies ist eine erste politische Sicht dieser Fragen. Wir Wissenschaftler sind aufgefordert, uns dazu Gedanken zu machen.


Zum Abschluss der Konferenz wurde versucht, die so genannte Erklärung von Delhi zu verfassen. Neben einer Standortsbestimmung sollten darin auch die eingangs erwähnten Fragen angegangen werden. Dies erfolgte nicht ganz zur Zufriedenheit der meisten Industriestaaten, da gerade des Gastgeberland gewisse Mühe zeigte, auf diese Fragen eingehen zu wollen. Unabhängig davon, wie man den Ausgang dieser Verhandlungen schlussendlich beurteilen mag, hat sich eines an dieser COP deutlich gezeigt: die Diskussionen über die mittelfristige Zukunft des Kyotoprotokolls hat mit Bestimmtheit schon begonnen. Ich finde das eigentlich ganz gut so.


Andreas Fischlin, Wissenschaftsvertreter in der schweizerischen Delegation an der COP 8, New Delhi

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