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Leuenberger leitet Ratifizierung des Kyoto-Protokolls in der Schweiz ein

Rede des Bundespräsidenten Moriz Leuenberger

Teaser: Leuenberger leitet Ratifizierung des Kyoto-Protokolls in der Schweiz ein

Marrakesch, 7. November 2001
Die Zukunft unseres Planeten schien gesichert. Die Globalisierung hatte natürlich ihre Gewinner und ihre Verlierer, doch dachten oder erwarteten wir zumindest, dass sich durch wirtschaftliches Wachstum und durch Marktöffnung das Gefälle zwischen Nord und Süd beseitigen liesse.
Nun - und spätestens seit dem 11. September - ist uns bewusst geworden, dass Wohlstand und Friede fragile Gebilde sind und dass Fortschritt nicht nur nach einem einzigen Modell erzielt werden kann. Es braucht eine Strategie und den gemeinsamen Willen aller, um die Zukunft zu sichern und einen respektvollen Dialog zwischen den Gesellschaften zu garantieren.
Die Natur ist ein ausgezeichnetes Beispiel für Globalisierung. Die Erde funktioniert wie ein Lebewesen, wie ein Ganzes. Sie setzt sich aus einer unendlichen Vielfalt von Einzelteilen zusammen, die alle zum Gleichgewicht und zur Nachhaltigkeit dieses Ganzen beitragen. Umgekehrt kann ein lokales Ungleichgewicht das gesamte System stören.
Unsere menschlichen Gesellschaften sind ebenso unterschiedlich und ebenso abhängig voneinander. Globalisierung darf nicht heissen, dass eine Kultur, eine Wirtschaftsform oder ein bestimmtes Land über die andern herrscht. Vielmehr muss Globalisierung unsere Unterschiede, unser Wissen, unsere Kulturen und Fähigkeiten in Einklang bringen und so die Lebensbedingungen aller und insbesondere jene der Ärmsten verbessern. Und sie soll die Verfügbarkeit der natürlichen Ressourcen langfristig garantieren.
Die Klimapolitik leistet Pionierarbeit, indem sie im Interesse aller ein gemeinsames Ziel definiert und gleichzeitig die unterschiedlichen Stadien der wirtschaftlichen Entwicklung und demzufolge der Verantwortung berücksichtigt.
Konkretes Handeln erforderlich
Die Umsetzung des Kyoto-Protokolls ist für die Schweiz prioritär, denn es geht um die Konkretisierung - und nicht bloss um die Ankündigung - erster Massnahmen zur Reduktion unserer Emissionen von Treibhausgasen. Und deshalb will die Schweiz diesen Prozess hier in Marrakesch beschliessen.
Der letzte Bericht des IPCC - der zwischenstaatlichen Sachverständigengruppe für Klimaveränderungen - mahnt, dass nicht mehr zugewartet werden darf. Er bestätigt die Realität der Klimaveränderungen, die Verantwortung unserer Gesellschaften und die bedeutenden Risiken, die für den ganzen Planeten entstehen.
Integrität der Umwelt
Wir müssen in Marrakesch unsere Aufgaben erfüllen, doch dürfen Kompromisse das fundamentale Ziel einer echten Reduktion der Emissionen nicht beeinträchtigen. Wir können keine Lösungen akzeptieren, die uns in Wirklichkeit von der Zielsetzung des Übereinkommens entfernen würden.
Die Senken und die flexiblen Mechanismen sind wichtige Instrumente, da sie sich direkt auf die Emissionsverminderung auswirken. Sie müssen in Übereinstimmung mit den andern Zielen einer nachhaltigen Entwicklung ausgearbeitet werden, so etwa der Erhaltung der Artenvielfalt oder der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung armer Länder.
Enge Zusammenarbeit mit Wirtschaftskreisen
Die Schweiz hat ein CO2-Gesetz in Kraft gesetzt, das bis zum Jahr 2010 eine Reduktion der Emissionen um 10 Prozent unter den Stand von 1990 vorsieht. Gleichzeitig bereitet die Regierung in enger Zusammenarbeit mit Wirtschaftskreisen, der Industrie und dem Autogewerbe die Strukturen für die Regelung der flexiblen Mechanismen vor. Die Wirtschaft anerkennt die Ziele des Kyoto-Protokolls. Zu deren Konkretisierung wurden Übereinkommen zwischen der Regierung und privaten Kreisen unterzeichnet. Diese Zusammenarbeit ist sehr vielversprechend.
Willen zur Ratifizierung des Protokolls von Kyoto
Wir werden unsere Aufgaben hier in Marrakesch erfüllen, davon bin ich überzeugt. Und deshalb werde ich auf Regierungs- wie auf Parlamentsebene das Verfahren zur Ratifizierung des Kyoto-Protokolls in der Schweiz einleiten.
Das Protokoll von Kyoto ist ein wichtiger Fortschritt in Sachen Multilateralismus. Ich möchte sogar von «Omnilateralismus» sprechen. Es ist dies ein pionierhaftes Unterfangen, bei dem global und mit allen verhandelt wird, um die weltweiten Klimaprobleme anzugehen.
Kein Land darf sich seiner globalen Verantwortung entziehen. Kein Land darf demnach die Ratifizierung ablehnen, schon gar nicht, wenn es ein Hauptakteur der Klimapolitik ist. Ein herzliches Willkommen also an alle in dieser «omnilateralen Gemeinschaft»! Wir haben uns alle miteinander noch vielen Herausforderungen zu stellen. Denn unser gemeinsames Ziel ist ehrgeizig: Es geht um die Sicherung des Friedens und des Überlebens unseres Planeten und um die Verteidigung der Lebensqualität der gesamten Erdbevölkerung.

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